Veröffentlicht am März 12, 2024

Die Qualität eines Shampoos verbirgt sich nicht im Preis oder Werbeversprechen, sondern in der chemischen Logik seiner INCI-Liste.

  • Milde Tenside schützen das Kopfhaut-Mikrobiom, während aggressive Sulfate wie SLS die Hautbarriere stören können.
  • Nicht-wasserlösliche Silikone führen langfristig zu einem „Build-up“-Effekt, der das Haar beschwert und stumpf macht.
  • Ein saurer pH-Wert um 5,5 ist entscheidend für eine geschlossene Schuppenschicht und damit für Glanz und Schutz des Haares.

Empfehlung: Lernen Sie, die ersten fünf Inhaltsstoffe zu bewerten, um die wahre Formulierung zu erkennen und gezielte Entscheidungen für Ihre Haargesundheit zu treffen.

Sie stehen vor dem schier endlosen Shampoo-Regal in der Drogerie und fühlen sich von der Flut an Versprechen überwältigt: „Intensive Reparatur“, „Seidiger Glanz“, „Natürliche Inhaltsstoffe“. Doch ein Blick auf die Rückseite, auf die kleine, kaum lesbare INCI-Liste, lässt die meisten ratlos zurück. Die übliche Empfehlung lautet oft, einfach auf Sulfate, Silikone und Parabene zu verzichten. Dieser Ratschlag ist zwar ein Anfang, kratzt aber nur an der Oberfläche und führt oft zu neuen Unsicherheiten. Denn nicht alle Silikone sind gleich, und manche Alkohole pflegen das Haar sogar.

Doch was, wenn die wahre Kunst nicht darin besteht, eine simple schwarze Liste abzuarbeiten, sondern die Sprache der Kosmetikchemie selbst zu verstehen? Was, wenn Sie lernen könnten, die Formulierungslogik hinter einem Produkt zu erkennen und zwischen hochkonzentrierten Wirkstoffen und günstigen Füllstoffen zu unterscheiden? Genau hier setzt dieser Artikel an. Als Kosmetik-Chemikerin möchte ich Ihnen nicht einfach sagen, was Sie meiden sollen. Ich möchte Ihnen das Wissen an die Hand geben, um selbst zur Expertin für Ihre Haarpflege zu werden. Wir werden die häufigsten Inhaltsstoffe nicht nur identifizieren, sondern ihre Funktion, ihre Konzentration und ihre Wechselwirkung mit Haar und Kopfhaut auf molekularer Ebene verstehen.

Dieser Leitfaden wird Sie durch die wichtigsten Bausteine eines Shampoos führen. Wir beginnen mit den Tensiden, dem Herzstück jeder Reinigung, beleuchten die umstrittenen Silikone und erklären, warum der pH-Wert mehr als nur eine Zahl ist. Anschließend decken wir Marketing-Mythen auf, von überteuerten Salonprodukten bis hin zu irreführendem „Greenwashing“, damit Sie am Ende eine fundierte, wissenschaftlich basierte Entscheidung treffen können – für gesundes Haar und eine gesunde Kopfhaut.

Um Ihnen eine klare Orientierung zu geben, wie Sie die Inhaltsstoffe und Marketingversprechen von Shampoos kritisch bewerten können, folgt eine detaillierte Übersicht der wichtigsten Themen. Der nachfolgende Leitfaden strukturiert das komplexe Feld der Kosmetikchemie in verständliche Abschnitte.

Warum Sodium Lauryl Sulfate (SLS) für empfindliche kopfhaut problematisch sind?

Sodium Lauryl Sulfat, kurz SLS, gehört zur Gruppe der Tenside. Das sind waschaktive Substanzen, die für die Reinigungswirkung und die Schaumbildung in Shampoos verantwortlich sind. Aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit und geringen Kosten ist SLS ein extrem verbreiteter Inhaltsstoff. Tatsächlich macht SLS nach Wasser oft den größten Volumenanteil in vielen herkömmlichen Shampoos aus. Die starke Reinigungskraft hat jedoch eine Kehrseite: SLS ist ein sehr aggressives Tensid. Es entfernt nicht nur Schmutz und Fett, sondern auch die natürlichen, schützenden Lipide der Kopfhaut. Dieser „entfettende“ Effekt kann die Hautbarriere stören und zu Trockenheit, Juckreiz und Irritationen führen, insbesondere bei Menschen mit bereits empfindlicher Kopfhaut.

Langfristig kann die Verwendung von SLS-haltigen Produkten das natürliche Gleichgewicht der Kopfhaut stören. Die Haut versucht, den Lipidverlust zu kompensieren, indem sie die Talgproduktion hochfährt. Das Resultat ist ein Teufelskreis: Die Haare fetten schneller nach, was zu häufigerem Waschen führt, was die Kopfhaut wiederum weiter austrocknet. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Wirkung auf die Hautflora besonders kritisch zu sehen.

Aggressive Sulfate entfernen die schützende Bakterienflora und führen langfristig zu einem Ungleichgewicht, das Probleme wie Schuppen oder Juckreiz begünstigt.

– Zentrum der Gesundheit, Giftstoffe im Shampoo – Analyse 2022

Glücklicherweise gibt es eine Vielzahl milder Tensid-Alternativen, die auf Zuckern oder Kokosfettsäuren basieren. Sie reinigen sanfter, schäumen oft etwas weniger, sind aber deutlich schonender zur Kopfhaut. Achten Sie auf Bezeichnungen wie:

  • Coco-Glucoside: Ein sehr mildes Zuckertensid, das aus Kokosöl und Fruchtzucker gewonnen wird.
  • Sodium Cocoyl Isethionate (SCI): Eine sanfte Alternative aus Kokosfettsäuren, die für einen cremigen Schaum sorgt.
  • Decyl Glucoside: Ein weiteres pflanzliches Zuckertensid, das sich besonders gut für empfindliche Haut eignet.
  • Sodium Lauryl Sulfoacetate (SLSA): Trotz des ähnlichen Namens ist SLSA kein Sulfat. Es ist ein mildes, aus Kokosöl gewonnenes Tensid mit größeren Molekülen, die die Hautbarriere nicht durchdringen können.

Indem Sie auf milde Tenside umsteigen, geben Sie Ihrer Kopfhaut die Chance, ihre natürliche Schutzfunktion wiederherzustellen und ihr Gleichgewicht zu finden.

Dimethicone & Co: Welche silikone lassen sich nicht einfach auswaschen?

Silikone sind synthetische Polymere, die in der Haarpflege als Weichmacher und Glanzgeber dienen. Sie legen sich wie ein feiner Film um jedes einzelne Haar, füllen poröse Stellen in der Schuppenschicht auf und machen das Haar sofort glatter, kämmbarer und glänzender. Dieser Sofort-Effekt ist der Grund für ihre Beliebtheit. Man unterscheidet jedoch grundlegend zwischen zwei Arten: wasserlöslichen und nicht-wasserlöslichen Silikonen. Während sich erstere mit Wasser leicht auswaschen lassen, haften letztere hartnäckig am Haar. Mit jeder Anwendung lagert sich eine neue Schicht über der alten an. Dieses Phänomen wird als „Build-up“-Effekt bezeichnet.

Dieser künstliche Mantel versiegelt das Haar und verhindert, dass pflegende Stoffe wie Öle oder Feuchtigkeit ins Haarinnere gelangen können. Langfristig trocknet das Haar unter der Silikonschicht aus, wird spröde und schwer. Das anfänglich seidige Gefühl weicht einer stumpfen, beschwerten Mähne. Um diese Schichten zu entfernen, sind oft aggressive, sulfathaltige Shampoos nötig, was uns zurück zum Problem aus dem vorherigen Abschnitt führt.

Makroaufnahme einer Haarsträhne mit sichtbarer Silikonschicht

Neben dem kosmetischen Problem haben nicht-wasserlösliche Silikone auch eine ökologische Dimension. Im Kontext der Umweltbelastung sind Silikone problematisch, da sie extrem schwer biologisch abbaubar sind. Sie gelangen über das Abwasser in die Umwelt, reichern sich in Gewässern an und können von deutschen Kläranlagen nur unvollständig herausgefiltert werden. Um nicht-wasserlösliche Silikone in der INCI-Liste zu erkennen, achten Sie auf folgende Merkmale:

  • Endungen auf -cone (z.B. Dimethicone, Amodimethicone, Cyclomethicone)
  • Endungen auf -xane (z.B. Cyclopentasiloxane)
  • Endungen auf -conol (z.B. Dimethiconol)
  • Inhaltsstoffe, die „Siloxane“ oder „Methicone“ im Namen tragen

Die Entscheidung gegen nicht-wasserlösliche Silikone ist somit nicht nur eine für die langfristige Haargesundheit, sondern auch ein Beitrag zum Umweltschutz.

Warum ein pH-wert von 5,5 für produkte entscheidend für die schuppenschicht ist?

Der pH-Wert ist eine chemische Messgröße, die angibt, ob eine wässrige Lösung sauer, neutral oder basisch (alkalisch) ist. Unsere Haut und auch unsere Haare haben von Natur aus einen leicht sauren pH-Wert, der typischerweise zwischen 4,5 und 5,5 liegt. Dieser Wert ist kein Zufall, sondern ein wesentlicher Bestandteil des natürlichen Schutzmechanismus, des sogenannten Säureschutzmantels. Dieser Mantel wehrt schädliche Mikroorganismen ab und hält die Hautbarriere intakt. Für das Haar ist dieser saure pH-Wert von ebenso entscheidender Bedeutung, insbesondere für die äußere Schicht, die Schuppenschicht (Cuticula).

Man kann sich die Schuppenschicht wie die Ziegel eines Daches vorstellen. In einem sauren Milieu liegen diese „Ziegel“ flach und eng aneinander. Die Haaroberfläche ist glatt, versiegelt und kann Licht optimal reflektieren – das Haar glänzt. Zudem ist das Haarinnere vor Feuchtigkeitsverlust und schädlichen Umwelteinflüssen geschützt. Wird das Haar jedoch mit einem basischen Produkt gewaschen – viele traditionelle Seifen haben einen pH-Wert von 8 bis 10 –, stellen sich die Schuppen auf. Die Haaroberfläche wird rau, das Haar wirkt stumpf, ist anfälliger für Haarbruch und lässt sich nur schwer kämmen.

Praxisbeispiel: Das Erfolgsprinzip deutscher Apothekenmarken

Apothekenmarken wie Sebamed und Eucerin haben das Prinzip des hautneutralen pH-Wertes von 5,5 in Deutschland seit Jahrzehnten erfolgreich als medizinisch-dermatologisches Qualitätsmerkmal etabliert. Ihre Werbekampagnen und Produktentwicklungen basieren auf dem wissenschaftlichen Nachweis, dass ein saurer pH-Wert die Haut- und Haarstruktur schützt. Die Produkte demonstrieren eindrücklich, dass ein an den natürlichen Zustand angepasster pH-Wert die Schuppenschicht versiegelt, was zu sichtbar gesünderem und glänzenderem Haar führt. Dieses Prinzip ist ein Paradebeispiel für angewandte Kosmetikchemie.

Ein hochwertiges Shampoo sollte daher immer einen pH-Wert im sauren Bereich, idealerweise um 5,5, aufweisen, um die Haarstruktur zu schützen und zu glätten. Leider wird der pH-Wert auf den meisten Produkten nicht deklariert. Zertifizierte Naturkosmetik oder Produkte, die explizit mit einem „hautneutralen pH-Wert“ werben, sind hier oft die sicherere Wahl. Eine „saure Rinse“ mit verdünntem Apfelessig nach der Wäsche kann ebenfalls helfen, den korrekten pH-Wert wiederherzustellen und die Schuppenschicht zu schließen.

Die Beachtung des richtigen pH-Wertes ist somit ein oft übersehener, aber entscheidender Faktor für die langfristige Gesundheit und den Glanz Ihrer Haare.

Lohnt sich der aufpreis von 20 € für salon-produkte im vergleich zur drogerie?

Die Frage, ob teure Friseurprodukte von Marken wie Kérastase oder Redken ihr Geld wirklich wert sind, beschäftigt viele Verbraucher. Ein Salon-Shampoo kann leicht 25 bis 30 Euro kosten, während ein Drogerieprodukt oft für unter 5 Euro erhältlich ist. Rechtfertigt der Preisunterschied von 20 Euro oder mehr eine signifikant bessere Leistung? Die Antwort liegt, wie so oft, in der Formulierung und der Kostenstruktur der Produkte.

Grundsätzlich neigen Salon-Produkte dazu, höher konzentrierte und qualitativ hochwertigere Wirkstoffe zu enthalten. Während in einem günstigen Shampoo der Anteil an pflegenden Extrakten, Proteinen oder Vitaminen oft verschwindend gering ist (meist unter 1 % und damit am Ende der INCI-Liste), ist die Konzentration in professionellen Produkten tendenziell höher. Zudem investieren Premium-Marken mehr in Forschung und Entwicklung (F&E), um innovative Wirkstoffkomplexe oder patentierte Technologien zu entwickeln, die eine spezifische Wirkung entfalten sollen. Drogeriemarken greifen hingegen meist auf bewährte, kostengünstige Standardformulierungen zurück.

Professionelle Laborumgebung mit Shampoo-Testproben

Allerdings fließt ein erheblicher Teil des Aufpreises nicht nur in die Inhaltsstoffe, sondern auch in Marketing, Markenimage und aufwendige Verpackungen. Der exklusive Vertriebskanal über Friseursalons treibt die Kosten ebenfalls in die Höhe. Eine vergleichende Analyse der Kostenstruktur macht dies deutlich.

Die folgende Tabelle, basierend auf einer vergleichenden Analyse von Kostenfaktoren, zeigt die ungefähre prozentuale Verteilung:

Kostenverteilung: Drogerie- vs. Salonprodukt
Kostenfaktor Drogerieprodukt Salonprodukt
Wirkstoffe 5-10% 10-15%
Basisformulierung 70-80% 60-70%
Marketing/Verpackung 10-15% 15-25%
Forschung & Entwicklung 5% 10-15%

Ob sich der Aufpreis lohnt, ist daher eine individuelle Entscheidung. Wer spezifische Haarprobleme hat und von den höher konzentrierten Wirkstoffen profitiert, für den kann ein Salon-Produkt eine lohnende Investition sein. Für unproblematisches Haar kann ein gutes Drogerie-Shampoo mit milden Tensiden und ohne Silikone jedoch völlig ausreichend sein. Der Schlüssel liegt immer im kritischen Lesen der INCI-Liste, nicht im Preis.

Der fehler, „Alcohol Denat“ in den ersten drei zutaten zu ignorieren

Die Reihenfolge der Inhaltsstoffe in einer INCI-Liste ist gesetzlich geregelt und folgt einem einfachen Prinzip: absteigende Konzentration. Das bedeutet, der Stoff mit dem höchsten Gewichtsanteil steht an erster Stelle (meist Wasser, „Aqua“), gefolgt von den weiteren Zutaten in abnehmender Menge. Alles, was eine Konzentration von weniger als 1 % ausmacht, kann in beliebiger Reihenfolge am Ende der Liste aufgeführt werden. Aus dieser Regel leitet sich eine entscheidende Faustregel für die Analyse von Kosmetikprodukten ab: Die ersten fünf Inhaltsstoffe machen etwa 80 % des gesamten Produkts aus.

Diese „Top-5-Regel“ ist ein mächtiges Werkzeug. Wenn ein beworbener, wertvoller Inhaltsstoff wie Arganöl oder Keratin erst weit hinten in der Liste auftaucht, ist seine Konzentration so gering, dass eine nennenswerte Wirkung fraglich ist. Umgekehrt ist es ein Alarmsignal, wenn ein potenziell problematischer Stoff unter den ersten fünf Positionen zu finden ist. Ein klassisches Beispiel hierfür ist „Alcohol Denat.“ (denaturierter Alkohol). Dieser „schlechte“, kurzkettige Alkohol wird oft in hohen Konzentrationen als Lösungsmittel, Konservierungsmittel oder zur schnellen Trocknung eingesetzt. Steht er weit vorne in der INCI-Liste, kann er die Kopfhaut stark austrocknen, die Hautbarriere stören und zu Irritationen führen.

Es ist jedoch wichtig, nicht alle Alkohole zu verteufeln. Es gibt auch „gute“, pflegende Fettalkohole, die aus pflanzlichen Fetten gewonnen werden. Sie wirken als Emulgatoren oder Verdickungsmittel und haben sogar feuchtigkeitsspendende und glättende Eigenschaften. Hier ist eine klare Unterscheidung notwendig:

  • Austrocknende Alkohole (meiden): Alcohol Denat., Isopropyl Alcohol, Ethanol.
  • Pflegende Fettalkohole (unbedenklich): Cetyl Alcohol, Cetearyl Alcohol, Stearyl Alcohol, Behenyl Alcohol.

Gerade in zertifizierter Naturkosmetik findet man oft Alkohol weit vorne in der Liste. Hier wird er meist als natürliches Konservierungsmittel eingesetzt, oft in einer vergällten Form, die weniger austrocknend wirkt, und in Kombination mit rückfettenden Substanzen. Die „Top-5-Regel“ bleibt jedoch ein entscheidender Indikator für die Qualität und primäre Funktion einer Formulierung, wie auch INCI-Analysen bestätigen, wonach die ersten 5-7 Inhaltsstoffe 80% des Produkts ausmachen.

Die kritische Prüfung der ersten Inhaltsstoffe schützt Sie davor, für ein Produkt zu bezahlen, das hauptsächlich aus Wasser und austrocknendem Alkohol besteht, während die wertvollen Wirkstoffe nur in homöopathischen Dosen enthalten sind.

Wie marken mit begriffen wie „Conscious“ täuschen, ohne standards zu erfüllen?

In den letzten Jahren ist das Bewusstsein für nachhaltige und „saubere“ Kosmetik stark gestiegen. Marken reagieren darauf mit einer Flut von Marketingbegriffen wie „Clean Beauty“, „Conscious“, „Green Formula“ oder „Inspired by Nature“. Diese Begriffe zieren prominent die Verpackungen und suggerieren eine hohe Qualität, Umweltfreundlichkeit und gesundheitliche Unbedenklichkeit. Das Problem: Die meisten dieser Begriffe sind rechtlich nicht geschützt und an keinerlei Standards gebunden. Sie sind reine Marketing-Erfindungen, ein Phänomen, das als Greenwashing bekannt ist.

Eine Marke kann ihr Shampoo als „Clean Beauty“ bezeichnen, selbst wenn es synthetische Polymere oder umweltschädliche Stoffe enthält. Der Begriff „Conscious“ (bewusst) ist besonders vage – bewusst in welcher Hinsicht? Umwelt? Tierschutz? Arbeitsbedingungen? Ohne eine klare Definition und unabhängige Zertifizierung ist eine solche Aussage wertlos. Dieses Vorgehen ist nicht nur irreführend, sondern untergräbt auch die Bemühungen von Marken, die sich ernsthaft um Nachhaltigkeit bemühen.

Symbolische Darstellung von irreführenden Werbeversprechen auf Produktverpackungen

Besonders kritisch wird es bei Claims wie „Ohne Sulfate, Ohne Parabene, Ohne Silikone“. Laut der EU-Kosmetikverordnung dürfen Werbeaussagen Inhaltsstoffe nicht herabsetzen, die von wissenschaftlichen Gremien als sicher eingestuft wurden. Solche „Frei-von“-Aussagen sind oft unlauter, da sie dem Verbraucher suggerieren, die weggelassenen Stoffe seien per se schädlich, was nicht immer der Fall ist. Um sich im Dschungel der Werbeversprechen zurechtzufinden, sollte man sich ausschließlich an unabhängigen, zertifizierten Naturkosmetik-Siegeln orientieren. Diese garantieren die Einhaltung strenger Kriterien.

Der Kontrast zwischen echten Garantien und leeren Phrasen ist enorm:

Verlässliche Siegel vs. Marketing-Logos
Zertifizierte Siegel Garantie Marketing-Begriffe Rechtlicher Status
NATRUE Mind. 75% natürliche Inhaltsstoffe ‚Clean Beauty‘ Nicht geschützt
BDIH Kontrollierte Naturkosmetik ‚Conscious‘ Nicht definiert
Ecocert 95% natürliche Inhaltsstoffe ‚Grüne Formel‘ Keine Standards
COSMOS Biologisch abbaubar ‚Inspired by Nature‘ Bedeutungslos

Lassen Sie sich also nicht von wohlklingenden, aber leeren Begriffen blenden. Vertrauen Sie nur auf anerkannte Siegel, die eine unabhängige Kontrolle und die Einhaltung transparenter Standards gewährleisten.

Das Wichtigste in Kürze

  • Tenside sind entscheidend: Aggressive Sulfate (SLS) können die Kopfhaut reizen; milde Zuckertenside (z.B. Coco-Glucoside) sind die schonendere Wahl.
  • Vorsicht vor Build-up: Nicht-wasserlösliche Silikone (Endung auf -cone, -xane) schaffen nur einen künstlichen Glanz und trocknen das Haar langfristig aus.
  • Die „Top-5-Regel“: Die ersten fünf Inhaltsstoffe machen ca. 80 % des Produkts aus. Problematische Stoffe wie Alcohol Denat. sollten hier nicht auftauchen.
  • Vertrauen Sie Siegeln, nicht Slogans: Begriffe wie „Clean Beauty“ sind ungeschützt. Nur zertifizierte Siegel wie NATRUE oder BDIH bieten eine echte Garantie.

Das märchen vom recycelten ozean-plastik: was steckt wirklich im stoff?

Nachhaltigkeit ist zu einem zentralen Kaufargument geworden, und das betrifft auch die Verpackung. Viele Marken werben damit, dass ihre Flaschen aus recyceltem Plastik bestehen, manchmal sogar mit dem emotional aufgeladenen Claim „aus Ozean-Plastik“. Dies suggeriert, dass das Unternehmen aktiv dazu beiträgt, die Meere von Müll zu befreien. Die Realität ist jedoch oft weniger heldenhaft. Der Begriff „Ocean Bound Plastic“ bezeichnet häufig Plastik, das in einem Umkreis von 50 km zur Küste gesammelt wurde – also bevor es das Meer erreicht. Das ist zwar ein sinnvoller präventiver Ansatz, aber nicht dasselbe wie eine großangelegte Säuberungsaktion der Ozeane.

Viel entscheidender als die Herkunft des Plastiks ist der tatsächliche Anteil an recyceltem Material, dem sogenannten Post-Consumer-Rezyklat (PCR). Hier zeigt sich oft eine große Diskrepanz zwischen Werbeversprechen und Realität. Viele Hersteller werben zwar mit Recycling, doch der tatsächliche Anteil an wiederverwertetem Material in der Verpackung ist oft gering. Wie Öko-Test in einer Untersuchung von 2024 ermittelte, verwenden viele Hersteller weniger als 30% Post-Consumer-Rezyklat in ihren Verpackungen, obwohl technisch oft mehr möglich wäre. Ein geringer Anteil dient dann eher als Marketing-Gag denn als ernsthafter Beitrag zur Kreislaufwirtschaft.

Für Verbraucher, die wirklich nachhaltige Entscheidungen treffen möchten, ist es wichtig, eine klare Prioritätenliste zu haben. Nicht jede nachhaltig anmutende Alternative ist gleich gut. Glasverpackungen zum Beispiel wirken hochwertig, ihr Recycling ist jedoch extrem energieintensiv und ihr hohes Gewicht verursacht mehr CO2 beim Transport.

Ihr Aktionsplan für nachhaltige Verpackungen: Die Prioritäten-Checkliste

  1. Verpackungsfrei: Prüfen Sie, ob feste Shampoos oder Shampoo-Bars eine Option für Sie sind. Sie sind die umweltfreundlichste Wahl, da sie komplett ohne Verpackung auskommen.
  2. Nachfüllsysteme: Suchen Sie nach Marken, die Nachfüllbeutel oder In-Store-Refill-Stationen anbieten. Dies reduziert den Verpackungsmüll drastisch.
  3. 100% rPET: Wenn es eine Flasche sein muss, wählen Sie Produkte aus 100 % recyceltem PET (rPET). Achten Sie auf eine klare Kennzeichnung auf der Verpackung.
  4. Glas meiden: Bevorzugen Sie recyceltes Plastik gegenüber Glas, da der ökologische Fußabdruck von Glas in der Gesamtbilanz (Produktion, Transport, Recycling) oft schlechter ist.
  5. Neu-Plastik als letzte Wahl: Vermeiden Sie Verpackungen aus „Virgin Plastic“ (Neu-Plastik) ohne jeglichen Recyclinganteil.

Eine wirklich nachhaltige Wahl geht über grüne Slogans hinaus und erfordert einen genauen Blick auf das Material und das System dahinter. Die beste Verpackung ist immer die, die gar nicht erst entsteht.

Mildes shampoo und das mikrobiom: warum tägliches waschen mit sulfaten der kopfhaut schadet?

Unsere Haut ist kein steriles Organ, sondern ein lebendiges Ökosystem, das von Billionen von Mikroorganismen besiedelt wird – Bakterien, Pilzen und Viren. Diese Gemeinschaft wird als Hautmikrobiom bezeichnet und spielt eine entscheidende Rolle für unsere Hautgesundheit. Eine ausgewogene Mikroflora schützt uns vor Krankheitserregern, trainiert unser Immunsystem und reguliert den pH-Wert. Dieses Prinzip gilt auch für unsere Kopfhaut. Ein gesundes Kopfhaut-Mikrobiom ist die Grundlage für gesundes Haarwachstum und beugt Problemen wie Schuppen, Juckreiz oder übermäßiger Fettproduktion vor.

Die tägliche Anwendung von aggressiven, sulfathaltigen Shampoos ist einer der größten Störfaktoren für dieses empfindliche Gleichgewicht. Wie bereits besprochen, haben starke Tenside wie SLS eine desinfizierende Wirkung. Sie unterscheiden nicht zwischen „schlechten“ und „guten“ Bakterien und entfernen die schützende Mikroflora von der Kopfhaut. Aktuelle dermatologische Untersuchungen zeigen, dass SLS-haltige Shampoos die natürliche Schutzbarriere der Kopfhaut zerstören und das Mikrobiom nachhaltig schädigen können. Dies schafft ein Umfeld, in dem sich unerwünschte Mikroorganismen, wie der für Schuppen verantwortliche Malassezia-Hefepilz, unkontrolliert vermehren können.

Die Umstellung auf milde Shampoos, die das Mikrobiom respektieren, ist daher ein fundamentaler Schritt für die langfristige Gesundheit der Kopfhaut. Anstatt die Kopfhaut täglich zu „desinfizieren“, sollte das Ziel sein, sie sanft zu reinigen und gleichzeitig die nützlichen Mikroorganismen zu fördern. Die Kosmetikindustrie hat diesen Trend erkannt und entwickelt zunehmend Produkte mit präbiotischen und probiotischen Inhaltsstoffen, die gezielt das Gleichgewicht der Kopfhautflora unterstützen. Diese Inhaltsstoffe dienen den guten Bakterien als Nahrung oder helfen, das Milieu zu stabilisieren.

Achten Sie auf folgende Mikrobiom-freundliche Wirkstoffe in der INCI-Liste:

  • Inulin / Alpha-Glucan Oligosaccharide: Diese präbiotischen Zucker fördern das Wachstum nützlicher Bakterien auf der Haut.
  • Lactobacillus Ferment: Probiotische Fermente, die helfen, das Mikrobiom zu balancieren und die Hautbarriere zu stärken.
  • Aloe Vera: Beruhigt und spendet intensive Feuchtigkeit, ohne das empfindliche Gleichgewicht der Kopfhaut zu stören.
  • Kokosöl: Besitzt natürliche antimikrobielle Eigenschaften, die selektiv wirken können, ohne die gesamte Flora zu zerstören.

Wenden Sie dieses Wissen bei Ihrem nächsten Einkauf an und treffen Sie eine fundierte, wissenschaftlich basierte Entscheidung für die Gesundheit Ihrer Haare und Kopfhaut. Eine sanfte Pflege ist keine Frage des Luxus, sondern eine biologische Notwendigkeit für ein ausbalanciertes Ökosystem auf Ihrem Kopf.

Questions fréquentes sur INCI-Listen bei Shampoos

Geschrieben von Lukas Weber, Friseurmeister und Trichologie-Experte mit eigenem Salon in Düsseldorf. Spezialisiert auf Haargesundheit, chemische Prozesse bei Colorationen und Haarschnitt-Techniken für verschiedene Haarstrukturen.